BAG, Urteil v. 21.08.2019 - 7 AZR 452/17; BAG, Urteil v. 23.01.2019 - 7 AZR 733/16 Eingeordnet unter Sonstiges.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit seiner Entscheidung vom 06.06.2018 die jahrelange Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur sachgrundlosen Befristung für verfassungswidrig erklärt hatte, hat das BAG seine Rechtsprechung geändert und sie den Vorgaben des BVerfG angepasst. Mit der Entscheidung vom 23.01.2019, Aktenzeichen 7 AZR 733/16, hat das BAG seine enge Auslegung des sogenannten Vorbeschäftigungsverbots des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG aufgegeben.
14 Abs. 2 S. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) schreibt vor, dass eine sachgrundlose Befristung unter andrem nur zulässig ist, wenn „mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat".
Ständige Rechtsprechung des BAG bis zum 23.01.2019 war, dass die Worte „bereits zuvor“ so auszulegen seien, dass innerhalb der letzten drei Jahre vor der Begründung des neuen sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses kein Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber bestanden haben durfte. Lag die Vorbeschäftigung länger als drei Jahre zurück, war eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses zulässig. Diese Auslegung, die gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes sprach, wurde vielfach sowohl in der Literatur als auch von den Instanzgerichten kritisiert. Diese Kritik gipfelte in der Entscheidung des BVerfGs vom 06.06.2018, die an dieser Stelle bereits mit einem Beitrag von Frau Rechtsanwältin Baumann-Stadler vom 11.06.2018 dargestellt wurde.
Dieser Entscheidung des BVerfG, die ebenfalls eine verfassungsrechtliche Einschränkung des gesetzlichen Wortlauts offenlässt, hat sich das BAG dann mit der Entscheidung vom 23.01.2019 angeschlossen. Hierin hat das BAG eine weitere sachgrundlose Befristung als nicht zulässig erachtet, bei welcher das vorherige Arbeitsverhältnis bereits acht Jahre zurück lag. Das Bundesarbeitsgericht lies in dieser Entscheidung jedoch deutlich erkennen, dass die Worte des Gesetzes „bereits zuvor“ nicht als „niemals zuvor“ auszulegen sind. Eine verfassungskonforme Auslegung des Wortlauts müsse zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs führen, wenn das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar wäre. Als Beispiel nannte das Bundesarbeitsgericht Fälle in denen eine Vorbeschäftigung sehr lange zurück liegt, ganz anders geartet war oder nur von sehr kurzer Dauer gewesen ist.
Mit Urteil vom 21.08.2019, AZ: 7 AZR 452/17, entschied das Bundesarbeitsgericht nun, dass ein Arbeitnehmer der 22 Jahre nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erneut bei demselben Arbeitgeber eingestellt wird, ein wirksames sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis begründen kann. Im Hinblick auf das Urteil vom 23.01.2019 entspräche es einer verfassungskonformen Auslegung des Gesetzeswortlauts, dass bei einer Vorbeschäftigung von 22 Jahren der Ausschluss der sachgrundlosen Befristung dem Arbeitgeber nicht zuzumuten sei und daher nach dieser Zeit eine erneute sachgrundlose Befristung möglich ist.
Somit hat das Bundesarbeitsgericht einen Rahmen für eine sehr lange zurückliegende Vorbeschäftigung gesteckt. Eine Vorbeschäftigung liegt jedenfalls sehr lange zurück, wenn sie 22 Jahre vor der Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses beim selben Arbeitgeber bestand. Hintergrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist, dass die Klausel des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG sogenannte Kettenbefristungen verhindern soll. Arbeitnehmer sollen nicht über Jahre hinweg nur in prekären befristeten Arbeitsverhältnissen tätig werden, sondern nach zwei Jahren fest angestellt werden. Bei einer Vorbeschäftigung von 22 Jahren bestünde diese Gefahr der Kettenbefristung jedoch nicht. Der Gesetzeszweck könne durch ein Verbot der sachgrundlosen Befristung hier nicht erreicht werden. Demgegenüber würde es sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Arbeitnehmer erschwert, ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen. Ein Verbot der sachgrundlosen Befristung sei hier daher nicht geboten. Die Vereinbarung einer sachgrundlosen Befristung sei wirksam.
Nach den Entscheidungen des BAG aus Januar 2019 und August 2019 gilt nun jedenfalls:
Eine Vorbeschäftigung liegt nach acht Jahren noch nicht lange zurück, nach 22 Jahren schon. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht diese Auffassung teilt und wie das BAG zu den weiteren von ihm aufgestellten Einschränkungsmöglichkeiten des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG entscheiden wird. Im Befristungsrecht bleibt es daher spannend!