BVerfG, Beschluss v. 06.06.2018 - 1 BvL 7/14, 1 BvR 1374/14 Eingeordnet unter Kündigung, Sonstiges.
Während die Wirtschaft in Deutschland boomt, werden aktuell so viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie nie zuvor in befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftig. Befristete Arbeitsverträge bedeuten für Beschäftigte zwar die Chance, in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden; gleichzeitig bleibt jedoch die Sorge, den Arbeitsplatz „automatisch“ wieder zu verlieren, ohne dass eine Kündigung ausgesprochen werden muss oder erneut nur befristet beschäftigt zu werden.
Da mit der Befristung von Arbeitsverhältnissen das Kündigungsschutzrecht außer Kraft gesetzt werden kann, ist diese nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Entweder muss ein Sachgrund für die Befristung gegeben sein (z.B. zur Vertretung oder zur Erprobung) oder die Befristung erfolgt ohne Sachgrund innerhalb der dafür gesteckten gesetzlichen Grenzen. Befristete Arbeitsverhältnisse sind ohne sachlichen Grund nur bis zur maximalen Dauer von zwei Jahren und mit höchstens dreimaliger Verlängerung der Befristungsabrede zulässig (§ 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz, TzBfG). Ferner heißt es im Teilzeit- und Befristungsgesetz, dass eine solche sachgrundlose Befristung dann unzulässig ist, wenn „mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat“ (§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG).
Dies hatte das Bundesarbeitsgericht dahin ausgelegt, dass eine sachgrundlose Befristung nur dann unzulässig sei, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Diese Rechtsprechung stieß auf viel Kritik, da sie im Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes stand. Die Kritiker sehen sich nun durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt.
Das Bundesverfassungsgericht hat nun mit Beschluss vom 06.06.2018, 1 BvL 7/14, 1 BvR 1374/14, entschieden, dass sachgrundlose Befristungen grundsätzlich nur bei der erstmaligen Einstellung zwischen denselben Parteien zulässig sein sollen. Auch wenn eine Arbeitnehmerin/ein Arbeitnehmer schon vor mehr als drei Jahren bei einem Arbeitgeber beschäftigt war, ist eine spätere sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrages – von unzumutbaren Ausnahmen abgesehen – unzulässig. Mit dieser Interpretation des Gesetzes habe sich das Bundesarbeitsgericht – so das Bundesverfassungsgericht – über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinweggesetzt.
Das Bundesverfassungsgericht hat noch einmal deutlich gemacht, dass befristete Beschäftigungsformen gesetzlich beschränkt werden können, um strukturell unterlegene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen und dem Sozialstaatsgebot Rechnung zu tragen.
Die unbefristete Dauerbeschäftigung soll die Regelbeschäftigungsform sein.
Für die Beschäftigten bedeutet dies: Waren sie bereits zuvor bei einem Arbeitgeber beschäftigt, ist eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses unwirksam. Es kann allenfalls eine Befristung mit Sachgrund erfolgen. Unverändert gilt: Wollen Beschäftigte eine unzulässige Befristung des Arbeitsvertrages angreifen (z.B. weil bei sachgrundloser Befristung zum selben Arbeitgeber zuvor schon ein Arbeitsverhältnis bestanden hat), muss die betreffende Klage beim Arbeitsgericht innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende der Befristung erhoben werden (§ 17 TzBfG).