Die Corona-Warn-App, die vom Robert-Koch-Institut für die Bundesregierung herausgegeben wird, kann seit kurzem aus den gängigen App-Stores heruntergeladen werden. Unabhängig vom Für und Wider der Anwendung der Tracing-App im privaten Bereich wirft dies etliche Fragen für das Arbeitsverhältnis auf. Eingeordnet unter Arbeitsschutz, Betriebsverfassungsrecht, Sonstiges.
Darf der Arbeitgeber anordnen, die App zu nutzen?
In aller Regel: Nein. Im Arbeitsverhältnis hat der Arbeitgeber zwar ein Weisungsrecht. Dieses Recht, das auch als Direktionsrecht bezeichnet wird, in § 106 GewO normiert ist und über das etwa Arbeitszeit und Arbeitsort bestimmt werden können, hat aber seine Grenzen. Eine Anordnung, die Corona-Warn-App auf dem privaten Smartphone zu installieren, greift zu stark in die Persönlichkeitssphäre der Arbeitnehmer/innen ein und ist daher unzulässig. Ebenso rechtswidrig dürfte die Anordnung sein, die Warn-App auf einem Diensthandy zu installieren. Dies ist allerdings rechtlich umstritten und hängt vom jeweiligen Einzelfall, der genau geprüft werden sollte, ab. Die Ausübung des Weisungsrechts lässt sich am Maßstab des billigen Ermessens kontrollieren. Maßgeblich bei dieser Kontrolle ist unter anderem, in welchen Berufen die Beschäftigten arbeiten. Aber selbst in insoweit „kritischen“ Berufsfeldern wie dem Gesundheits- und Pflegebereich sprechen die besseren Argumente vor allem in datenschutzrechtlicher Hinsicht dafür, dass eine Installations- und Nutzungspflicht rechtswidrig ist.
Darf der Arbeitgeber zumindest die Nutzung der App empfehlen?
Ist im Betrieb ein Betriebsrat gebildet, muss der Arbeitgeber die Nutzungsempfehlung mit dem Betriebsrat regeln. Wenngleich eine Empfehlung nicht rechtsverbindlich ist, reicht dies bereits aus, um die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beim so genannten Ordnungsverhalten nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und beim Gesundheitsschutz nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auszulösen. Auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (technische Einrichtungen) kann in Betracht kommen. Betriebsräte sollten sich im Klaren darüber sein, dass selbst eine bloße Nutzungsempfehlung eine nicht unerhebliche Drucksituation unter den Beschäftigten des Betriebs auslösen kann. Weiterhin sollten Betriebsräte die Folgefragen bedenken und sich auch hierzu vor dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung beraten lassen: So wollen etwa Arbeitgeber, um Maßnahmen ergreifen zu können, von „ihren“ Beschäftigten informiert werden, wenn die Tracing-App bei einem Kontakt mit einer Person, die sich mit dem Corona-Virus infiziert hat, warnt.
Muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über Warnmeldungen der App informieren?
Arbeitnehmer haben verschiedene, in § 241 Abs. 2 BGB teils erwähnte Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag, weshalb sie die Interessen des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis zu wahren haben. Mit Blick auf diese arbeitsvertragliche Nebenpflicht wird ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber unter Umständen darüber informieren müssen, wenn er über die App eine Risiko-Benachrichtigung auf Grund des Kontakts zu einem Corona-Infizierten erhält. Dies müsste ein Arbeitnehmer in aller Regel aber auch dann tun, wenn er ohne Anwendung der App vom Kontakt zu einer Person mit positivem Corona-Test erfährt. Ein Widerspruch zur freiwilligen Installation und Nutzung der App besteht daher nicht. Eine andere Frage wiederum ist, zu welchen arbeitsrechtlichen Maßnahmen ein Arbeitgeber dann greifen darf. Es empfiehlt sich daher, vorher genau zu prüfen, ob sich eine Informationspflicht tatsächlich aus den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten ableiten lässt.