Das Bundesarbeitsgericht ändert seine Rechtsprechung zu Weisungen im Arbeitsverhältnis - (BAG v. 14.09.2017 - 5 AS 7/17) Eingeordnet unter Kündigung.
Müssen Arbeitnehmer unbillige Anordnungen ihres Arbeitgebers befolgen? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat seine Rechtsprechung jetzt geändert. Eine unbillige Weisung ist nicht verbindlich. Einfacher wird es damit für Arbeitnehmer aber leider nicht. Das Risiko einer Abmahnung oder gar einer Kündigung bleibt.
Der Arbeitgeber hat das Weisungsrecht. Begründet ist das Weisungsrecht, das auch als Direktionsrecht bezeichnet wird, im Arbeitsvertrag. In vielen Arbeitsverträgen sind die Pflichten des Arbeitnehmers nur allgemein bestimmt. Diese Lücken darf der Arbeitgeber ausfüllen, wie sich aus § 106 S. 1 Gewerbeordnung (GewO) ergibt: Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Das Weisungsrecht hat also zwei Schranken. Erstens muss sich die Weisung insbesondere im Rahmen der Gesetze und des Arbeitsvertrags bewegen. Zweitens muss die Anordnung des Arbeitgebers billigem Ermessen entsprechen; hierfür müssen alle Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen berücksichtigt werden.
Bislang war der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG vom 22.02.2012 – 5 AZR 249/11) der Ansicht, das Arbeitsverhältnis sei durch die Weisungsgebundenheit geprägt. Ein Arbeitnehmer dürfe sich nicht einfach über eine unbillige Anordnung seines Arbeitgebers hinwegsetzen, sondern müsse entsprechend § 315 Abs. 3 S. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) die Unverbindlichkeit der Anordnung durch das Arbeitsgericht feststellen lassen. Diesen Standpunkt hat der 5. Senat nun aufgegeben (vgl. BAG vom 14.09.2017 – 5 AS 7/17; siehe zur Anfrage des 10. Senats: BAG vom 14.06.2017 – 10 AZR 330/16 (A)). Ein Arbeitnehmer muss eine unbillige Weisung nicht befolgen.
Eine unbillige Weisung ist unverbindlich – so einfach, so kompliziert aus Sicht der Arbeitnehmer. Denn in einem späteren Gerichtsprozess könnte sich herausstellen, dass – entgegen der ersten Annahme des Arbeitnehmers – die Weisung der Billigkeit entsprochen und der Arbeitgeber damit sein Weisungsrecht ordnungsgemäß ausgeübt hat. Sollte in einem solchen Fall ein Arbeitnehmer seine Arbeit verweigert haben, könnte selbst eine fristlose Kündigung dann wirksam sein. Arbeitnehmer sollten daher ihr Risiko genau abwägen und keinesfalls vorschnell handeln.