Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 18.03.2021, Az. 1 Ca 3015/20 Eingeordnet unter Sonstiges.
Mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 18.03.2021 (Az. 1 Ca 3015/20) ist die erste Entscheidung eines deutschen Arbeitsgerichts zum Sonderkündigungsschutz von Arbeitnehmerinteressenvertreter/innen bei Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft (kurz: SE) ergangen. Die Entscheidung ist auf die ständig steigende Zahl von SE-Gründungen unter Beteiligung deutscher Gesellschaften von erheblicher praktischer Relevanz. Soll eine Europäische Aktiengesellschaft gegründet werden, ist zwischen Arbeitgeberseite und Vertreter/innen der Arbeitnehmer über die Beteiligung der Beschäftigten in der SE zu verhandeln. Diese Verhandlungen werden auf Arbeitnehmerseite durch das sog. „Besondere Verhandlungsgremium“ geführt, in dem in der Regel aus Beschäftigten und Gewerkschaftsvertreter/innen verschiedener europäischer Länder vertreten sind. Die Einzelheiten werden durch das „Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft" (kurz SEBG) geregelt.
In der Entscheidung des Arbeitsgerichts ist der Sonderkündigungsschutz nach § 42 SEBG für Mitglieder des „Besonderen Verhandlungsgremiums“ von besonderer Bedeutung. Das Arbeitsgericht hatte darüber zu entscheiden, ob die ordentliche betriebsbedingte Kündigung eines Mitglieds des Besonderen Verhandlungsgremiums unwirksam war. Das Arbeitsgericht stellte fest, dass die Kündigung unwirksam war und gab der Klage des Gekündigten statt. Zur Begründung wies das Arbeitsgericht darauf hin, dass gem. § 42 Satz 1 Nr. 1 SEBG Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums den gleichen Schutz und die gleichen Sicherheiten genießen, wie die Arbeitnehmervertreter nach dem Gesetz und den Gepflogenheiten des Mitgliedstaats, in dem sie jeweils beschäftigt sind. Für die aus Deutschland entsendeten Mitglieder im besonderen Verhandlungsgremium gilt der Kündigungsschutz entsprechend § 15 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG. Endet das Mandat im Besonderen Verhandlungsgremium besteht ein nachwirkendes Verbot ordentlicher Kündigungen. Das Gericht ließ offen, ob dieser sechs oder zwölf Monate dauert (die zwölfmonatige Dauer wird zutreffend bejaht durch Jacobs in: MünchKomm AktG, § 15 KSchG Rn. 6).
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Essen ist zu begrüßen. Sie setzt konsequent die Vorgaben von § 42 SEBG um und bejaht zutreffend den umfassenden Sonderkündigungsschutz, den Beschäftigte als Mitglied des „Besonderen Verhandlungsgremiums“ genießen. Dieser Schutz ist notwendig, da die Verhandlungen energisch geführt werden müssen, um die Grundlagen für eine starke Beteiligung der Beschäftigten in der Europäischen Aktiengesellschaft zu legen.