Im Rahmen der Unterrichtung gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG sind dem Betriebsrat alle Informationen, die die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers beeinflussen können und erst plausibel machen, vorzulegen. Nutzt der Arbeitgeber ein digitales Bewerbungsmanagementsystem, zählen zu den erforderlichen Unterlagen damit auch die in einer Chat-Funktion eingegebenen Kommentare zu den einzelnen Bewerbern. Am ehesten biete sich zur Unterrichtung des Betriebsrats die Einräumung eines Lesezugriffs an (LAG Köln, Beschluss v. 15. 05. 2020 – 9 TaBV 32/19). Eingeordnet unter Betriebsverfassungsrecht, Sonstiges.
Im entschiedenen Fall nutze die Arbeitgeberin im Bewerbungsverfahren ein softwaregestütztes Bewerbungsmanagementsystem. Im Rahmen der Anhörung gem. § 99 BetrVG bei einer Einstellung wollte der Betriebsrat auch Informationen über Inhalte in einer Chatfunktion, in der Mitglieder des Recruiting-Teams Kommentare zu dem jeweiligen Bewerber eingegeben konnten. Der Betriebsrat verwies darauf, dass er ohne diese Unterlagen nicht ordnungsgemäß informiert worden sei. Er verweigerte darüber hinaus die Zustimmung. Die Arbeitgeberin leitete ein Zustimmungsersetzungsverfahren ein.
Das LAG Köln gab dem Betriebsrat Recht. Es stellt klar, dass zu den dem Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG vorzulegenden Unterlagen bei Nutzung eines elektronischen Bewerbungsmanagementsystems nicht nur die darin hinterlegten Dokumente gehören. Ein solches papierverhaftetes Verständnis des Begriffs "Unterlage" wäre angesichts der Entwicklung von elektronischen Systemen zur Personalgewinnung zu eng. Denn ein Bewerbermanagement-Tool ist mehr als eine Sammlung von Schriftstücken in Dateiform. Ein Bewerbungsmanagementsystem eröffnet Funktionalitäten zur Bewerberauswahl, die über die bloße Einsicht in die gespeicherten Dokumente hinausgehen und für die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers von Bedeutung sind. Daher würde es dem Informationsanspruch des Betriebsrats nicht ausreichend Rechnung tragen, würde man den Arbeitgeber lediglich dazu verpflichten, die in seinen Datenverarbeitungsanlagen vorhandenen Dateien ausgedruckt zur Verfügung zu stellen, ohne dem Betriebsrat zugleich eine Dokumentation der genutzten Funktionalitäten zu überlassen. Daher ist es wichtig, dass der Betriebsrat im Rahmen der Unterrichtung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht nur über das Gesamtergebnis der Bewertung eines Bewerbers informiert wird, sondern auch darüber, wie diese Gesamtbewertung zustande gekommen ist. Ziel der Unterrichtungs- und Vorlagepflicht des §§ 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG sei es, dass der Betriebsrat den gleichen Informationsstand besitze wie der Arbeitgeber (vgl. BAG, Beschluss v. 14.12.2004 - 1 ABR 55/03).
Das LAG Köln führt weiter aus, dass sich zur Unterrichtung des Betriebsrats am ehesten die Einräumung eines Lesezugriffs anbietet.
Empfehlung: Im Rahmen des Anhörungsverfahrens hat der Arbeitgeber den Betriebsrat umfassend zu unterrichten und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Ist die Unterrichtung nicht ordnungsgemäß erfolgt, läuft die Wochenfrist des §§ 99 Abs. 3 BetrVG nicht an, sodass der Betriebsrat weder gehalten ist, sich über die Anhörung schlüssig zu werden, noch die Zustimmung gerichtlich ersetzt werden könne. Die verweigerte Zustimmung darf nämlich – unabhängig von den für die Verweigerung vorgebrachten Gründen – nur ersetzt werden, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat ordnungsgemäß unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen unterrichtet hat (vgl. BAG v. 09.04.2019 - 1 ABR 30/17).
Verwendet der Arbeitgeber also ein digitales Bewerbungsmanagementsystem, so stehen dem Betriebsrat weit mehr Informationen zu, als üblicherweise vorgelegt werden. Der Betriebsrat sollte jedoch darauf bestehen.