Auch Jahre nach einer Betriebsratswahl müssen sich manchmal Arbeitsgericht und auch Staatsanwaltschaft noch mit ihr beschäftigen. Dass Strafanträge wegen Wahlbehinderung zu nichts führen, stimmt nicht immer. Eingeordnet unter Sonstiges.
Während die Gerichte für Arbeitssachen die Wahlen aufgrund von Wahlanfechtungen prüfen, wird die Staatsanwaltschaft tätig, wenn die Wahl des Betriebsrats behindert oder im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG beeinflusst wurde. Zur Erinnerung: § 119 BetrVG regelt, dass solche Taten mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden.
Die praktische Erfahrung mit dieser Vorschrift zeigt allerdings, dass sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften in diesem Zusammenhang über einen langen Zeitraum hinziehen können und am Ende meist die Einstellung des Verfahrens steht.
Eine erhöhte Sensibilität und eine bessere Schulung der Ermittlungsbehörden, denen das BetrVG und seine Vorschriften des Nebenstrafrechts häufig fremd sein dürften, wären wünschenswert.
Aber es gibt auch Beispiele, in denen die Strafbarkeit der Wahlbehinderung keine Theorie bleibt: In einem nordbayerischen Betrieb in der Metall- und Elektroindustrie sollte zum ersten Mal ein Betriebsrat gewählt werden. Der zuständige Fachsekretär der IG Metall informierte den Geschäftsführer des Unternehmens Ende 2014 hierüber. Dies hatte zur Folge, dass die Geschäftsführung eilig eine Mitarbeiterversammlung einberief. In dieser Versammlung wurde den Mitarbeitern vor Augen geführt, dass die Wahl eines Betriebsrats zu einer Betriebsschließung führen könnte. Auch müssten die Mitarbeiter damit rechnen, dass bislang gewährte Vergünstigungen, wie der Werkseinkauf, die Bezuschussung von Getränkepreisen oder die Nutzung von firmeneigenen Fahrzeugen für Umzüge, im Falle der Wahl eines Betriebsrats entfallen könnten.
Offensichtlich war sich die Geschäftsführung nach dieser Mitarbeiterversammlung ihrer Sache noch nicht sicher, weshalb noch Kündigungen von Befürwortern der Betriebsratswahl folgten und Hausverbote ausgesprochen wurden. Zudem fand ein Führungskräfteseminar mit einem »Spezialisten« in Sachen Verhinderung von Betriebsratsneugründungen statt. Als Ergebnis dieses Vorgehens entschied sich eine knappe Mehrheit der Mitarbeiter in der folgenden Betriebsversammlung gegen die Einsetzung eines Wahlvorstandes.
Eine arbeitsgerichtliche Bestellung des Wahlvorstandes unterblieb mangels Mitarbeiter, die sich hierfür zur Verfügung gestellt hätten. Das Ende vom Lied: Bis zum heutigen Tag besteht in dem Betrieb kein Betriebsrat.
Die Gewerkschaft stellte einen Strafantrag, und die Staatsanwaltschaft ermittelte ausführlich. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht einen Strafbefehl und verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen gegen den Geschäftsführer des Unternehmens.
Auch ohne dass der Strafbefehl schon rechtskräftig ist, verdeutlicht dieser, dass § 119 BetrVG nicht nur ein »Papiertiger« ist. Ein gut vorbereitetes Verfahren, für das sich alle auf Arbeitnehmerseite Betroffenen eng abgestimmt haben, kann für diejenigen, die versuchen, Betriebsratswahlen zu unterbinden, spürbare Konsequenzen nach sich ziehen. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine Staatsanwaltschaft zuständig ist, die dazu bereit ist, von den strafrechtlichen Möglichkeiten des BetrVG Gebrauch zu machen.
Zu lesen ist dieser Artikel auch in unserem Rundbrief # 30 (März 2016) der Arbeitnehmeranwälte (Die deutschlandweite Anwaltskooperation für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Betriebs- und Personalräte).