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Seit geraumer Zeit gibt es eine bewegte Diskussion über die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht auf Basis des § 20a IfSG. Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 10.02.2022 (1 BvR 2649/21) eine Außervollzugsetzung der Regelung abgelehnt hat und sich auch die bayerische Staatsregierung zwischenzeitlich zur Umsetzung der Regelung bekennt, soll im Folgenden ein Augenmerk auf dazugehörige arbeitsrechtliche Fragestellungen geworfen werden:
Um was geht es grundsätzlich?
Die Regelung in § 20a IfSG regelt eine einrichtungsbezogene (mittelbare) Impfpflicht für Einrichtungen im Gesundheitswesen ab dem 15.3.2022, befristet bis zum 31.12.2022. Die betroffenen Personen müssen der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des Unternehmens bis zum Ablauf des 15.3.2022 entweder einen Impfnachweis über eine vollständige Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2 („doppelte Impfung“), einen Genesenennachweis (positiver PCR-Test, der maximal sechs Monate alt ist) oder ein ärztliches Attest, wonach eine medizinische Kontraindikation einer Schutzimpfung besteht, vorlegen. Bei Verstoß kann das Gesundheitsamt ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot gegen diese Person erlassen.
Wen betrifft es?
Angeknüpft wird dabei nicht an den arbeitsvertraglichen Status einer Person. Betroffen sind alle Personen, die in Einrichtungen oder Unternehmen des Gesundheitswesens „tätig sind“. § 20a Abs. 1 IfSG stellt dabei nicht auf die Art der Tätigkeit ab. Daher unterfällt auch Verwaltungspersonal und sonstiges nicht-medizinisches Personal dem von § 20a IfSG erfassten Personenkreis
Erfasst wird von der Regelung auch Fremdpersonal, z.B. die Beschäftigten eines Gebäudereinigungs- oder Catering-Dienstleisters. Ausgenommen sollen aber nach der Gesetzesbegründung Personen sein, die nur „für wenige Minuten“ in der Einrichtung tätig sind (z.B. Postboten/Paketzusteller)
Ausgenommen von der Impfpflicht bzw. der Nachweispflicht sind ebenso Personen, die aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen SARS-CoV-2 geimpft werden können. Diese haben ein entsprechendes ärztliches Zeugnis vorzulegen.
Tätigkeiten außerhalb der Einrichtung sind von § 20a Abs. 1 IfSG nicht erfasst. Mitarbeitende im Außendienst oder Home-Office müssen daher den Nachweis wohl auch nicht erbringen.
Darf ich ohne Nachweis noch beschäftigt werden?
Unklar ist vereinzelt, ob Personen, die den Nachweis ihres Impf- oder Genesenenstatus nicht erbringen, ab dem 15.3.2022 noch beschäftigt werden dürfen, oder ob dies nur im Falle eines vom Gesundheitsamt verhängten Betretungs- oder Tätigkeitsverbots der Fall ist.
Für ein automatisches Beschäftigungsverbot spricht der Wortlaut der Vorschrift. So darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer ohne den gesetzlich verlangten Impfnachweis nicht länger beschäftigen (§ 20a Abs. 3 Satz 4 und 5 IfSG); dies kann in dem Sinn verstanden werden, dass er dies auch bereits vor einem Verbot durch das Gesundheitsamt nicht mehr darf.
Gegen dieses Verständnis sprechen aber z.B. gesetzessystematische Gründe wie z.B. die ausdrückliche Befugnis des Gesundheitsamtes ein Tätigkeitsverbot zu erlassen. Auch hat die Bundesregierung in Beantwortung einer Anfrage ausgeführt: Die in § 20a des Infektionsschutzgesetzes geregelte einrichtungsbezogene Impfpflicht für Bestandspersonal zieht kein automatisches Beschäftigungsverbot nach sich. Bei Nichtvorlage eines geeigneten Nachweises (Impf- oder Genesenennachweis oder Zeugnis über medizinische Kontraindikation) ist diese zunächst dem Gesundheitsamt zu melden. Bei Nichtvorlage des Nachweises trotz Aufforderung entscheidet das zuständige Gesundheitsamt nach pflichtgemäßem Ermessen im Einzelfall über die weiteren Maßnahmen (z. B. ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot) und wird dabei auch die Personalsituation in der Einrichtung berücksichtigen.
Thematisiert wird darüber auch die Frage, ob, selbst wenn erst das Gesundheitsamt über ein Tätigkeitsverbot befinden würde, sich der Arbeitgeber darauf berufen könne, die Annahme der Arbeitsleistung wäre für ihn unzumutbar, solange kein Nachweis erbracht wird. Hier wird der Arbeitgeber aber wohl besondere Umstände dafür anführen müssen, um von der Wertung des Gesetzgebers, dass gerade eine Entscheidung des Gesundheitsamtes abgewartet werden soll, abzuweichen.
Was passiert mit meiner Vergütung?
Noch nicht endgültig geklärt sind auch Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch. Geht man von einem automatischen Beschäftigungsverbot aus, besteht ggf. sofort ein gesetzliches Leistungshindernis. Der Anspruch auf Vergütung würde gemäß § 326 BGB entfallen.
Bedarf es der Anordnung des Gesundheitsamtes, würde der Vergütungsanspruch erst ab diesem Zeitpunkt gemäß § 326 BGB entfallen.
Wird die Annahme der Arbeitsleistung jedoch als unzumutbar betrachtet, solange kein Nachweis erbracht wird, kann dies ggf. wiederum zum Entfall der Vergütung führen.
Soweit möglich und zumutbar muss der Arbeitgeber ggfs. als milderes Mittel Homeoffice ermöglichen. Dies wird z.B. für Verwaltungsmitarbeiter in Betracht kommen. Insofern gibt es auch eine aus § 28b IfSG folgende Verpflichtung des Arbeitgebers.
Droht mir eine Kündigung?
Eine personenbedingte Kündigung dürfte vermutlich schon deswegen nicht in Betracht kommen, weil keine Prognose gerechtfertigt ist, dass betroffene Mitarbeitende ihre Arbeitsleistung dauerhaft nicht erbringen können. Dies liegt zum einen an der Befristung der Regelung aber auch daran, dass sich der Status, z.B. durch eine Infektion hin als „genesen“ jederzeit ändern kann.
Eine verhaltensbedingte Kündigung könnte bei einem Verstoß gegen die Nachweispflicht jedoch - gegebenenfalls nach vorheriger Abmahnung - eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Aber auch nur dann, wenn die betroffene Person die Nachweispflicht tatsächlich erfüllen kann, also über einen Impfnachweis oder Genesenennachweis verfügt. Personen, die weder geimpft noch genesen sind, können dies nicht. Zu einer unmöglichen Leistung kann jedoch niemand verpflichtet sein.
Fazit
Nach aktuellem Stand dürfte davon auszugehen sein, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht umgesetzt wird. Wie sich die praktische Umsetzung gestaltet, bleibt abzuwarten. In jedem Fall wirft die Regelung eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Fragestellungen auf. Aus Platzgründen wurde auch darauf verzichtet, auf ggf. verwaltungsrechtliche Implikationen einzugehen. Es bietet sich für betroffene Beschäftigte und Arbeitnehmervertretungen an, sich bei auftretenden Fragestellungen, auch zu ggf. bestehenden Mitbestimmungsrechten frühzeitig beraten zu lassen.