(LAG Hamm v. 20.02.2015, 13 Sa 1386/14) Eingeordnet unter Betriebsverfassungsrecht.
Betriebsratstätigkeit ist grundsätzlich während der Arbeitszeit zu verrichten. Aus § 37 Abs. 2 BetrVG folgt ein entsprechender Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung. Dieser Anspruch erfasst zunächst Fallkonstellationen, in denen ein Betriebsratsmitglied während seiner eigentlichen Arbeitszeit BR-Tätigkeit verrichtet und z.B. an einer BR-Sitzung teilnimmt.
Beispiel: Ein Betriebsratsmitglied arbeitet dienstags von 8 Uhr bis 16 Uhr. Die BR-Sitzungen finden dienstags von 9 Uhr bis ca. 13 Uhr statt. Das Betriebsratsmitglied hat einen Anspruch auf Befreiung von der Arbeit von 9 Uhr bis zum Ende der Betriebsratssitzung.
Der Anspruch auf Arbeitsbefreiung erfasst darüber hinaus noch andere Fälle: Ein Betriebsratsmitglied ist auch dann von seiner Arbeit zu befreien, wenn es ihm unzumutbar ist, wegen zeitlich vorangehender oder zeitlich nachfolgender Betriebsratstätigkeit seine Arbeitsleistung zu erbringen.
Beispiel: Ein Betriebsratsmitglied ist in Schichtarbeit tätig und für die Nachtschicht eingeteilt. Diese dauert von Montag, 22.00 Uhr bis Dienstag, 6.00 Uhr. Die BR-Sitzungen finden dienstags von 13.00 Uhr bis ca. 16 Uhr statt.
In einem solchen Fall darf das Betriebsratsmitglied seine Nachtschicht verkürzen und früher nach Hause gehen - bei vollem Entgeltausgleich. Es wäre unzumutbar, nach der Nachtarbeit am Dienstag um 13 Uhr bereits wieder zur Betriebsratssitzung zu erscheinen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht bereits 1989 entschieden (7 AZR 500/88). Dem folgte auch das LAG Hamm in einer aktuellen Entscheidung (LAG Hamm v. 20.02.2015, 13 Sa 1386/14).
Gegen die Entscheidung des LAG Hamm wurde die Revision beim Bundesarbeitsgericht zugelassen, denn das LAG Hamm hat nicht nur die alte Rechtsprechung des BAG bestätigt, sondern darüber hinaus Stellung zu einer Rechtsfrage genommen, zu der es bislang keine Entscheidung des BAG gibt. Nach Auffassung des LAG Hamm handelt es sich bei Zeiten der Betriebsratstätigkeit nicht um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, so dass z.B. keine gesetzliche Verpflichtung besteht, Betriebsratstätigkeit nach 10 Stunden zu beenden, die gesetzlichen Pausenregelungen zu beachten oder die gesetzlichen Ruhenszeiten vor oder nach einer BR-Sitzung einzuhalten. Dieselbe Ansicht vertritt auch das LAG Hannover (20.04.2015, 12 TaBV 76/14).
Die Entscheidung des BAG zu dieser Frage bleibt abzuwarten. Wichtig ist zu wissen: Völlig unabhängig davon, ob Betriebsratsarbeit Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist oder nicht, gilt: Es ist unzumutbar, vor dem Tag einer Betriebsratssitzung eine volle Nachtschicht zu arbeiten oder auch direkt im Anschluss an eine lange BR-Sitzung eine reguläre Schicht zu arbeiten. Daher besteht ein Anspruch darauf, ganz oder teilweise von diesen Schichten befreit zu werden - bei vollem Entgelt.