BAG, Urteil v. 16.02.2023 - AZ: 8 AZR 450/21 Eingeordnet unter Sonstiges.
Es ist kein Geheimnis, dass auch weiterhin ein erheblicher Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen besteht. Diese „Gender Pay Gap“ betrug im Jahr 2022 durchschnittlich ganze 18%.
Oft versuchen Personalverantwortliche diese erheblichen Lohnunterschiede damit zu rechtfertigen, dass Männer ihre Lohnvorstellungen besser aushandeln könnten, als Frauen.
Dieser Argumentation hat das Bundesarbeitsgericht nun einem Riegel vorgeschoben. Das BAG hat aktuell entschieden, dass ein Verstoß gegen das Gebot zur gleichen Vergütung von Frauen und Männern für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass der Mann besser verhandelt hätte (BAG, Urt. v. 16.02.2023 – 8 AZR 450/21).
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die klagende Mitarbeiterin ist seit dem 01.03.2017 als Außendienstmitarbeiterin beschäftigt. Hierbei vereinbarte sie einzelvertraglich ein Grundgehalt in Höhe von € 3.500,00 brutto.
Daneben beschäftigte der Arbeitgeber noch zwei weitere (männliche) Außendienstmitarbeiter, wobei einer kurz vorher seine Arbeit aufnahm. Diesem wurde zunächst das gleiche Gehalt wie der Klägerin angeboten, was er jedoch ablehnte. Man einigte sich schließlich auf ein Bruttogehalt von € 4.500,00.
Die klagende Mitarbeiterin hat anschließend die Gehaltsdifferenz zu ihrem männlichen Kollegen eingeklagt und zusätzlich eine Entschädigung wegen Diskriminierung Höhe von mindestens
€ 6.000,00.
Die Vorinstanzen sahen keinen Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot und wiesen die Klage ab.
Anders beurteilte jedoch das BAG die Situation und bejahte in der Revision das Begehren der Klägerin weit überwiegend. Nach Ansicht des BAG liege im konkreten Fall sehr wohl eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes der Klägerin vor. Der Arbeitgeber hat dem männlichen Arbeitnehmer ein höheres Grundentgelt bezahlt, als der weiblichen Beschäftigten, obwohl beide die gleiche Arbeit verrichteten.
Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus Europarecht – vorliegend Art. 157 AEUV – sowie der nationalen Regelungen der §§ 3, 7 EntgTranspG. Der Umstand, dass die Klägerin bei einer gleichen bzw. gleichwertigen Tätigkeit ein geringeres Entgelt erhält, als ihr männlicher Kollege begründet im vorliegenden Fall zudem die Vermutung, dass diese Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes erfolgte. Die Beweislast von Equal-Pay-Ansprüchen richten sich nach den Regelungen des AGG. Hierbei kommt den benachteiligten Beschäftigten eine Erleichterung der Beweislast nach § 22 AGG zu, wonach die/der benachteiligte Beschäftigte zunächst Indizien vortragen muss, die eine Benachteiligung vermutet lässt. Gelingt dies, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt.
Diese Vermutung konnte der Arbeitgeber im konkreten Fall jedoch nicht widerlegen: insbesondere die Argumentation, dass das höhere Entgelt auf dem Verhandlungsgeschick des männlichen Kollegen fußte, überzeugte das BAG nicht. Allein das Verhandlungsgeschick rechtfertigt insofern keine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung.
Das BAG hat der Klägerin eine Gehaltsnachzahlung in Höhe von € 14.500,00 sowie eine Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von € 2.000,00 zugesprochen.
Wir begrüßen diese Entscheidung und sehen dies als weiteren wichtigen Schritt für den Grundsatz, dass gleiche Arbeit auch gleich entlohnt werden muss. Der 8. Senat setzt mit der Entscheidung den Weg fort, des es mit Urteil vom 21. Januar 2021 beschritten hat (Az. 8 AZR 488/19). Dieses Urteil erleichtert es Beschäftigten, Entgeltdiskriminierung darzulegen.
Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesarbeitsgerichtes gilt es für die Arbeitgeber aktiv zu werden und jeweils zu prüfen, ob Entgeltunterschiede nur darauf zurückzuführen sind, dass männliche Beschäftigte ein höheres Gehalt einforderten, oder diese Gehaltsunterschiede tatsächlich durch objektive Gründe gerechtfertigt sind.
Sofern den Beschäftigten nicht bekannt ist, wie die Vergütung bei ihnen geregelt ist, können sie in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitenden ihren Auskunftsanspruch nach dem EntgTranspG geltend machen. Nach den §§ 10 ff. EntgTranspG muss der Arbeitgeber auf Anfrage darlegen, nach welchen Kriterien er die Beschäftigten bezahlt. Beschäftigte können hierbei insbesondere Auskunft zum durchschnittlichen Monatsentgelt von Vergleichstätigkeiten verlangen. In kleineren Betrieben können sie schlicht ihre Kolleg:innen nach ihrem Bruttomonatsgehalt fragen – es ist nicht verboten, über die Höhe von Gehältern zu sprechen.
Sollten sich herausstellen, dass ungerechtfertigte Gehaltsdifferenzen vorliegen, können diese gegenüber dem Arbeitgeber eingefordert werden. Sollte der Arbeitgeber das Entgelt nicht freiwillig erhöhen wollen, kann die Lohndifferenz eingeklagt werden.